ETH Zürich: Mit Sonnenenergie zu extremen Temperaturen

Statt Kohle oder Erdöl zu verbrennen, um Zement oder Stahl herzustellen, könnte künftig Sonnenenergie dafür genutzt werden. Forschende der ETH Zürich haben eine „thermische Falle“ entwickelt, die Sonnenstrahlung aufnimmt und starke Hitze abgibt.

Für die Herstellung von Zement, Metallen und vielen Chemikalien sind sehr hohe Temperaturen von über tausend Grad Celsius nötig. Um diese Hitze zu erreichen, werden derzeit meist fossile Brennstoffe verbrannt: Kohle oder Erdgas, wodurch grosse Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden. Mit erneuerbarer Elektrizität zu heizen ist keine Alternative, da dies bei diesen hohen Temperaturen ineffizient wäre. Obwohl ein Großteil unserer Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral werden soll, werden diese Industrieprozesse wohl auch in nächster Zeit mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Sie gelten als schwer dekarbonisierbar.

Quarzstab absorbiert Sonnenlicht

Illustration der thermischen Falle: Sie besteht aus einem Quarzstab (innen) und einem Keramikabsorber (außen). Die Sonnenstrahlung tritt an der Vorderseite ein, die Wärme entsteht im hinteren Bereich. Quelle: Casati E et al. Device 2024

Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich zeigen nun einen Weg auf, um die energieintensive Industrie unabhängig von fossilen Brennstoffen zu machen. Ein Team um Emiliano Casati, Wissenschaftler in der Gruppe für Energie- und Prozesssystemtechnik, und Aldo Steinfeld, Professor für erneuerbare Energieträger, entwickelten eine sogenannte thermische Falle. Sie erzeugt mithilfe von Sonnenstrahlung die für die Produktionsprozesse benötigten hohen Temperaturen und gibt diese Hitze auch ab.

Wesentlicher Bestandteil ist ein Quarzstab, der dank seinen optischen Eigenschaften Sonnenlicht effizient absorbieren und in Wärme umwandeln kann. In den Laborexperimenten hatte dieser Quarzstab einen Durchmesser von 7,5 Zentimetern und war 30 Zentimeter lang. Die Forschenden beschienen ihn mit künstlichem Licht, dessen Intensität 135-fach konzentriertem Sonnenlicht entsprach, und erreichten damit Temperaturen bis zu 1 050 Grad Celsius. Frühere Studien hätten mit solchen thermischen Fallen maximal 170 Grad erzielt, erwähnt die ETH Zürich in einer Presseinformation.

ETH Zürich will Hochtemperatur-Solaranlagen entwickeln

Zwar gibt es schon heute Technologien, um Sonnenenergie zu konzentrieren. Unter anderem in Spanien, den USA und China stehen grosse konzentrierende Solarkraftwerke zur Elektrizitätsgewinnung. Diese Anlagen arbeiten in der Regel bei Temperaturen von bis zu 600 Grad. Bei höheren Temperaturen nimmt der Wärmeverlust durch Abstrahlung zu und würde die Effizienz der Anlagen verringern. Ein wesentlicher Vorteil der thermischen Falle der ETH-Forschenden ist, dass sie die Wärme einfängt und die Abstrahlung auf ein Minimum reduziert. „Unser Ansatz verbessert den Wirkungsgrad der Absorption von Sonnenlicht erheblich“, sagt Casati. „Wir sind deshalb zuversichtlich, dass diese Technologie die Entwicklung von Hochtemperatur-Solaranlagen ermöglicht.“ Detaillierte technisch-wirtschaftliche Analysen stünden allerdings noch aus. Sie hätten den Rahmen der aktuellen Experimentalstudie gesprengt.

Casati forscht an der ETH Zürich weiter, um die Methode zu optimieren. Eines Tages könnte die Technologie es ermöglichen, Sonnenenergie nicht nur für die Stromproduktion, sondern auch für die Dekarbonisierung von energieintensiven Industriezweigen in großem Stil zu nutzen. „Um den Klimawandel zu bekämpfen, müssen wir Energie generell dekarbonisieren“, so Casati. „Oft denkt man bei Energie nur an Strom, aber tatsächlich verbrauchen wir etwa die Hälfte unserer Energie in Form von Wärme.“

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Beitragsfoto: Quality Stock Arts/Shutterstock.com

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