Georg-Sachs-Preis für Dominik Britz

Dominik Britz

Der Materialforscher Dominik Britz hat an der Universität des Saarlandes und am Material Engineering Center Saarland (MECS) eine neue Methode zur Qualitätsprüfung von Stahl entwickelt, die weit zuverlässiger ist als das bisherige Verfahren: Mithilfe künstlicher Intelligenz erkennt sie den inneren Aufbau der Gefüge und klassifiziert Stahltypen bis zu 95 Prozent genau. Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde zeichnete ihn für diese Forschung jüngst mit dem Georg-Sachs-Preis aus.

Ob Autos, Schiffe, Hochhäuser, Maschinen oder Brücken – Stahl ist überall im Einsatz. Aber Stahl ist nicht gleich Stahl. Für jede Anwendung werden Spezialstähle heute maßgefertigt. Etwa 5.000 Stahlsorten gibt es. Um zu gewährleisten, dass jeder der Stahltypen immer gleich hohe Qualität hat, legen bislang hochspezialisierte Experten Materialproben unters Mikroskop. Hier zeigt jeder Stahl ein anderes Bild. „Die innere Struktur des Stahls ist auf der Mikro- und Nanoskala sehr individuell. Stahl hat viele Gesichter, die präzise wiedererkennbar sind“, erklärt der Materialwissenschaftler Dominik Britz. Von den inneren Strukturen hängt ab, welche Eigenschaften der jeweilige Stahl hat.

„Das Gefüge des Stahls ist hochkomplex“

Stahlgefüge
Eine mikroskopische Aufnahme von Stahl zeigt: Das Gefüge des Werkstoffs ist hochkomplex. Quelle: Ibrumf2/Shutterstock.com

Jeder Produktionsschritt hat Auswirkungen auf diese Strukturen, also das „Gefüge“. Die chemische Zusammensetzung, das Walzverfahren, die Wärmebehandlungen – alles wirkt sich auf die Mikrostruktur aus: Eine kleine Änderung und alle Bestandteile sind um einen Hauch anders angeordnet, anders geformt oder anders räumlich verknüpft. Bislang vergleichen Qualitätsprüfer Mikroskopie-Aufnahmen von Proben mit Beispiel-Aufnahmen guter Qualität: ein schwieriges Unterfangen, das viel Erfahrung verlangt. „Das Gefüge des Stahls ist hochkomplex. Besonders bei Hochleistungsanforderungen müssen aber auch kleinste Unterschiede erkannt und richtig klassifiziert werden. Dies ist mit dem menschlichen Auge immer schwerer zu erkennen“, sagt Britz. Dies lässt die Fehlerquote steigen: Menschen erreichen dabei eine Genauigkeit von etwa 75 Prozent.

KI-Verfahren macht inneren Aufbau sichtbar

Mit einer Genauigkeit von bis zu 95 Prozent kann das Verfahren aufwarten, das Britz im Team von Frank Mücklich am Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes und am Material Engineering Center Saarland entwickelt hat. Zusammengearbeitet hat er dabei mit Informatikern vom Saarbrücker Max-Planck-Institut für Informatik, Chemikern der Universität und mit der AG der Dillinger Hüttenwerke. Das Verfahren macht den inneren Aufbau der Stahlgefüge sichtbar und identifiziert diese mit künstlicher Intelligenz. „Das Eigenschaftsspektrum des Stahls lässt sich so für den jeweiligen Einsatz schneller und verlässlicher prüfen und die Stahlindustrie kann die hohe Qualität ihrer Stähle noch besser sicherstellen“, sagt Britz. Und: Sie kann Stahlsorten noch gezielter für die jeweilige Anwendung weiterentwickeln. „Die Hersteller können die Zusammensetzung ihrer Stähle und die Produktionsprozesse weiter verfeinern, um das richtige Spektrum an Eigenschaften maßzuschneidern“, erläutert der 35-Jährige. Zusammen mit Frank Mücklich, bei dem er promovierte, leitet er das Steinbeis Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland sowie auch das Uni-Spin-off SurFunction.

Zu seiner Forschung hat Britz mehrere Publikationen veröffentlicht, unter anderem in den Scientific Reports des Fachmagazins Nature den Artikel „Advanced Steel Microstructural Classification by Deep Learning Methods“. Daran beteiligt waren der Informatiker Seyed Majid Azimi und sein Forschungsgruppenleiter Mario Fritz vom Max-Planck-Institut für Informatik sowie die Materialwissenschaftler Dominik Britz, Michael Engstler und Professor Frank Mücklich von der Universität des Saarlandes und MECS. Für seine Forschungsarbeit erhielt Dominik Britz bereits den Eduard-Martin-Preis 2020 der Universitätsgesellschaft des Saarlandes für eine der besten Summa-Cum-Laude-Dissertationen des Jahres.

Form und Größe lassen sich exakt auslesen

An Stelle der menschlichen Experten vergleichen dabei Computermodelle Mikroskopie-Aufnahmen der Stahlproben mit eindeutig klassifizierten Bilddaten. Sie erkennen die komplexen Muster und die Geometrie der Mikrostruktur und ordnen diese Stahltypen zu. „Sie lernen auch hinzu und können Merkmale von zuvor klassifizierten Mikrostrukturen mit den Mustern abgleichen“, sagt Britz. Gemeinsam mit Informatikern und deren maschinellen Lernmethoden trainierte er den Hochleistungsrechnern dieses Wissen an. Mit unterschiedlichen Spezialverfahren in der Rasterelektronenmikroskopie und anderen Mikroskopie-Verfahren beschrieb er hierfür die physikalischen Hintergründe von eindeutigen Abbildungen der Gefüge-Bestandteile. Mit Chemikern der Saar-Universität machte er das Gefüge im Lichtmikroskop zudem farblich erkennbar. „Es wird so reproduzierbar und verlässlich abgebildet. Alle Bestandteile und ihre geometrische Form und Größe lassen sich exakt auslesen“, erläutert Britz.

Georg-Sachs-Preis
Die Preisträger des Georg-Sachs-Preises erhalten eine prestigeträchtige Medaille. Quelle: DGM

Georg-Sachs-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten

Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde (DGM) verlieh ihm für diese „erste vollständig reproduzierbare Mikrostruktur-Kontrastierung“ sowie „die erstmalige Einführung des maschinellen Lernens in die vollautomatische Bildanalyse und Gefüge-Klassifizierung“ jetzt den prestigeträchtigen Georg-Sachs-Preis. Die zugehörige Medaille wurde am 6. September auf dem virtuellen DGM-Tag verliehen. Mit dem Preis zeichnet die DGM herausragende wissenschaftliche Arbeiten aus, die in enger Beziehung zur Praxis der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik stehen. Der Preis wird vom Stifterverband Metalle und dem Fachverband der Nichteisen-Metallindustrie Österreichs gemeinsam ausgelobt.

Quelle, Fotos: DGM

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